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Lars Ruppel, Leiter des Alzheimer Poesie Projektes „Weckworte“, kam nach Würzburg um Schülerinnen der Maria-Ward-Schule in zwei Alzpoetry Workshops das lebendige Vortragen von Gedichten nahe zu bringen und sie mit der Wirkung der Poesie auf Menschen mit Demenz vertraut zu machen.

Im Rahmen des Caritas Projektes Sonnenstunden (ein Angebot für Menschen mit Demenz zur Entlastung ihrer pflegenden Angehörigen) sowie in der Tagespflege des Caritas Seniorenzentrums St. Thekla sitzen Senioren im Alter zwischen Ende 50 und 100 Jahren nach gemütlicher Kaffeerunde im Kreis. Lars Ruppel, 28-jähriger Vollzeit- und Herzblut Poetry Slammer tritt in den Kreis, stellt sich vor und stellt Kontakt zu der Gruppe her. Reihum begrüßt er jeden Besucher per Handschlag und schenkt jedem Einzelnen seine ungeteilte Aufmerksamkeit und ein persönliches Wort. Die Teilnehmerinnen seines Alzpoetry Workshops tun es ihm gleich, auch sie begrüßen ihr Publikum einzeln und nehmen anschließend zwischen den Demenzkranken Platz.

Und schon geht es los. Eine Stunde lang bietet Ruppel sich als Fixpunkt für sein Publikum an. Er schreitet durch den Kreis, erzählt kleine Anekdoten, erfindet Geschichten, lässt durch Worte Bilder im Kopf entstehen und rezitiert Gedichte, die er durch Mimik und Gestik gekonnt und humorvoll unterstreicht. Immer wieder geht er durch den Kreis, nimmt Blickkontakt auf, berührt Hände, bezieht die Menschen in seine Geschichten und Lieder ein, nimmt sie mit auf eine kleine Reise in eine Erinnerung, die bei den meisten von ihnen überwiegend hinter einem Schleier verborgen liegt, im Alltag oft nicht zugänglich ist.

„Ich verinnerliche klassische Gedichte, um sie Menschen vorzutragen, die meine volle Aufmerksamkeit brauchen“, sagt Ruppel in einem Interview. „Wenn mir das gelingt, wecke ich ihr Verständnis für diese Worte.“ Geschickt leitet er von einem Thema zum nächsten über. So erklärt er nachdem eine Workshop Teilnehmerin ein Gedicht über das Schlaraffenland vorgetragen hat, er habe Lust auf Obst, Birnen möge er besonders gern. Sein Nachbar, der Herr Ribbeck, habe in seinem Garten einen wundervollen Birnbaum und sogleich erzählt er seinen Zuhörern die Geschichte, die erste Strophe des Gedichtes, des Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Er wiederholt die Zeilen ein paarmal, geht von einem zum anderen, blickt in die Augen seines Gegenübers, nimmt seine Hände in die seinen.

Auch Schiller’s Glocke, Tucholsky’s Mutterns Hände oder Eichendorffs Mondnacht hat er im Repertoire und beim Vortragen der Klassiker liest man in vielen Gesichtern ein Erkennen. Manche sprechen mit, denn das ein oder andere Gedicht hat jeder der Anwesenden dereinst in der Schule gelernt und die Worte sind auf einmal wieder da.

„Die Menschen warten auf einen Impuls, es geht darum, positive Impulse zu setzen und wahrzunehmen“, erklärt Ruppel. „Die Kunst besteht darin, den feinen Grad der Konzentration zu halten.“

Unterstützt wurde Ruppel von Schülerinnen der neunten und zehnten Klasse der Maria-Ward-Realschule. Zuvor hatten sie gemeinsam mit ihren Lehrerinnen, dem Schulleiter Schreiner  sowie Mitarbeiterinnen des Caritasverbandes an einem zweistündigen Workshop mit ihm teilgenommen und gelernt, wie man Gedichte lebendig vorträgt. Artikulation, Tempo, die Dynamik des Textvortrages sowie die Darstellung des emotionalen Inhaltes des Gedichts sind die Grundlagen. Auch wurden sie mit der Wirkung der Poesie auf Menschen vertraut gemacht und erfuhren mehr über die Krankheit Alzheimer und über das Verhalten der Erkrankten.

Nach einer Stunde voller guter Laune, Vortragen, Mitmachen, Singen und Lachen verabschiedeten sich die jungen Poetinnen und “ihr Meister“ wieder von ihrem Publikum. Neben dem Druck warmer Hände erhielten sie viele Dankesworte und Blicke aus zufrieden strahlenden Augen.

„Dass man so viel zurück bekommt, hätte ich nicht gedacht“, war das Feedback einer  Schülerin und eine andere meinte, „mich hat begeistert, wie dankbar die Leute waren.“

Lars Ruppel bringt die Empfindungen, die sich auf den Gesichtern der Teilnehmerinnen spiegeln auf den Punkt: „Es ist ein schöner Moment, wenn man merkt, dass man Menschen glücklich gemacht hat“, und dabei strahlt er übers ganze Gesicht obwohl er nach zwei Workshops und hochkonzentrierter Arbeit verdientermaßen erschöpft ist.

Eva-Maria Pscheidl, Diplom-Pflegewirtin beim Caritasverband für Stadt und Landkreis Würzburg und zuständig für die Pflegeweiterentwicklung, hatte Ruppel nach Würzburg geholt und den Kontakt mit der Maria-Ward-Schule hergestellt. Finanziert wurde das Projekt von der Sparkassenstiftung und der Caritas Einrichtungen gGmbH. 

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