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Caritas-Gruppe „Gezeitenwechsel“ lädt Trauernde einmal im Monat zum Frühstück ein – Die richtige Trauerarbeit beginnt meist erst nach der Bestattung. Davor ist so viel zu tun. Muss so viel geregelt werden. Bei Ingrid Borst* setzte das Trauern noch viel später ein. „Kurz nach dem Tod meines Mannes erhielt ich die Diagnose Brustkrebs“, erzählt die 80-Jährige beim Frühstück für Trauernde, das der Kreiscaritasverband Würzburg einmal im Monat im ABZ Heiligkreuz veranstaltet. Arzttermine, Bestrahlungen und Reha hielten die Seniorin auf Trab: „Erst seitdem das alles vorbei ist, kann ich trauern.“

Dass nach dem Tod eines geliebten Menschen ein Trauerjahr beginnt, an dessen Ende die Welt deutlich freundlicher aussieht, kann allenfalls als grobe Richtschnur angesehen werden. Jeder Mensch trauert anders. Jeder trauert unterschiedlich lange. In der Offenen Trauergruppe „Gezeitenwechsel“, bei der jeweils freitags ab 9.30 Uhr gemeinsam gefrühstückt wird, ist jede und jeder willkommen. Egal, wie lange der Tod des geliebten Menschen zurückliegt. Egal, wie stark die Trauer im Moment ist. „Ich zum Beispiel wundere mich, dass ich gar nicht traurig bin“, sagt Rita Sparrer*. Kurz vor Weihnachten starb ihr fast 96-jähriger Vater. Sparrer pflegte ihn bis zum Schluss.

Dass sie nicht trauern kann, beunruhigt die Tochter. Hatte sie den Vater etwa nicht genug geliebt? Oder liegt es daran, dass sie ein ganzes Jahr während seiner Pflegebedürftigkeit Zeit gehabt hatte, von ihm Abschied zu nehmen? Rosemarie Heimberger, die das Trauerfrühstück leitet, bietet Rita Sparrer an, sich einmal alleine mit ihr zu treffen. Das findet die Frau eine gute Idee.

„Wie leicht man hier ins Erzählen gerät“

Vor der Gruppe schildert sie ihren Vater als einen großherzigen, sympathischen Menschen, der sich bis zum Schluss lebhaft für das interessierte, was in der Welt vor sich geht. Die anderen Frauen hören aufmerksam zu. Rita Sparrer ist heute zum ersten Mal zum Frühstück für Trauernde gekommen. Dass sie so viel erzählen würde, hätte sie selbst nicht gedacht. Überhaupt hatte sie sich das Treffen so schön nicht vorgestellt. Der Frühstückstisch ist liebevoll gedeckt. Die Menschen, die sich um den Tisch versammeln, sind freundlich und verständnisvoll.

Von Bitterkeit keine Spur. Obwohl das, was die Teilnehmerinnen einander schildern, mitunter ganz schön bitter ist. „41 Jahre waren wir verheiratet“, berichtet Lina Eck*. Insgesamt 46 Jahre hatten sie und ihr Mann sich gekannt: „Und plötzlich steht man ganz alleine da.“ Im November starb Lina Ecks Mann nach einem schweren Krebsleiden.

 Unendliche Verlassenheit

In der ersten Zeit kam sich Lina Eck gottverlassen vor. Sie habe sich regelrecht verkrochen, erzählt sie. Irgendwann erhielt sie den Tipp, sich einmal an die Trauergruppe der Caritas zu wenden. Kurz darauf wagte sie es tatsächlich, zum Frühstück zu erscheinen. Und fand sich sofort in der Runde geborgen und angenommen.

 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer tauschen Erfahrungen aus, sie schildern einander offen, was sie in diesem Augenblick empfinden, und sie lachen gemeinsam über Erinnerungen. „Mein Mann hatte mir einmal beim Tapezieren geholfen“, berichtet Lina Eck, die soeben damit fertig geworden ist, ihre Wohnung zu renovieren: „Die Bahnen hingen total schief an der Wand. Da machte ich es beim nächsten Mal lieber wieder alleine.“ Die Frauen können so offen sein, weil sie wissen, dass keine nach außen erzählt, was in der Gruppe besprochen wurde. Dazu haben sie sich gegenseitig den Regeln für die Trauergruppe gemäß verpflichtet.

Das nächste Frühstück der Offenen Trauergruppe „Gezeitenwechsel“ findet am 9. Mai um 9.30 Uhr im ABZ Heiligkreuz (Sedanstraße 7a) statt.

*Name geändert

Beim offenen Angebot „Gezeitenwechsel“ treffen sich Menschen nach dem Tod eines geliebten Menschen einmal im Monat rund um einen liebevoll gedeckten Frühstückstisch. Die Gruppenregeln im Hintergrund erinnern die Teilnehmer an ihr Verschwiegenheitsversprechen.

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