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Würzburg. Ihr schönstes Geschenk, das sei ein Puppenwagen gewesen. „Der war aus dünnen, grün bemalten Holzstäbchen“, sagt Maria Schneider. Mehr als 70 Jahre ist das her, als er unterm Christbaum stand. Heuer bekam die 78-Jährige keine Geschenke. Weihnachten ist für sie ein Fest, dass ihr „ein bisschen Angst macht“, sagt die Frau, die keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern hat. Und froh ist, jedes Jahr am 24. Dezember nachmittags zur Weihnachtsfeier für Alleinstehende der Caritas gehen zu können.

Neue Kontakte zu knüpfen, gemeinsam Weihnachtslieder zu singen, den Weihbischof sprechen zu hören – darauf hat sich auch Günter Heift gefreut. Er ist an Weihnachten ebenfalls alleine. Auch für ihn ist es ein trauriges Fest. Er denke dann besonders intensiv an seine Frau, so der Rollstuhlfahrer, der an Multiple Sklerose leidet: „Sie starb 1990 mit nur 66 Jahren an Leukämie.“

Heift lässt sich von einem der Dutzend Ehrenamtlichen frischen Punsch einschenken und lauscht der Musik vom Klavier. Seit sieben Jahren wohnt er in einem Pflegeheim, erzählt er. Doch auch da sei es kaum möglich, näher mit anderen in Kontakt zu kommen: „Jeder bleibt dort für sich.“ Durch die Weihnachtsfeier im Heim St. Lioba konnte der 79-Jährige am Montag zumindest für ein paar Stunden seiner Einsamkeit entrinnen.

Das knusprige Gebäck seiner Mutter falle ihm ein, wenn er sich an Weihnachten in seinen Kindertagen erinnert, erzählt Franz Döring, der am selben Tisch wie Günter Heift Platz genommen hat: „Ich half ihr immer beim Ausstechen.“ Döring sieht noch die Blechformen vor sich: „Es gab Sterne und Tiere.“ Heinerle hatte die Mutter gebacken und Kokosmakronen. Dass die meisten Menschen heute Plätzchen im Geschäft kaufen, missfällt dem 52-jährigen Katholiken, der sich jedes Jahr auf Weihnachten freut – auch wenn er alleinstehend ist. Weihnachtslieder liebt er. Sie mit Weihbischof Ulrich Boom zu singen, ist für ihn alljährlich ein Genuss.

Plätzchen aus vollen Tellern zu picken, die ganze Zeit zu schlemmen und dann auch noch den Fernseher laufen zu lassen – das lehne sie ab, sagt Magarete Babsch. Sie hat noch Verwandte, bei denen sie heuer Weihnachten auf diese Weise hätte verbringen können. Doch da blieb sie lieber alleine. Und hing ihren Erinnerungen nach. Als Kind hatte sie in der Tschechoslowakei gefeiert: „Von dort mussten wir 1945 fliehen.“ Da war sie 20 Jahre alt gewesen. Bis dahin wurde Weihnachten mit der von ihr über alles geliebten, polnischen Großmutter zelebriert: „Bis heute sind mir polnische Weihnachtslieder lieber  als die deutschen.

Die 87 Jahre alte Seniorin sieht noch genau den Christbaum mit den Glaskugeln, dem Lametta und den Kerzen vor sich. Und weiß, wie die Weihnachtstafel damals in der Tschechoslowakei ausgesehen hatte: „Unterm Tischtuch lag ein Geldschein.“ Er sollte dafür sorgen, dass auch im neuen Jahr das Geld niemals ausgehen würde. Auf dem Teller befanden sich, bevor das eigentliche Mahl begann, mit Honig bestrichene Oblaten: „Jeder brach beim anderen ein Stück ab und aß es.“ So wurde die Gemeinschaft gefeiert. Fleisch war tabu: „Es gab Karpfen, den mein Vater selbst geschlachtet hat.“ Der wurde gebacken und mit Kartoffelsalat gegessen.

Ganz still wurde es an den mit Tannengrün und Kerzen geschmückten Tischen, als Weihbischof Ulrich Boom die Weihnachtsgeschichte vorlas. In seiner Ansprache wies er anschließend darauf hin, dass Gott nicht als starker Mann, der alles kann und alles vermag, geboren wurde: „Er kam als kleines, schwaches, hilfloses Kind zur Welt, um uns Menschen nahe zu sein.“

Gott wisse, was die Menschen bekümmert. Sei er doch selbst so klein gewesen, wie sich mancher Mensch oft fühle: „Klein oder gar klein gemacht.“ Und so ohnmächtig, wie sich viele Menschen einem Leben gegenüber sehen, das sie nicht mehr im Griff haben. Eben weil Gott Hilflosigkeit und Ohnmacht kenne, stehe er den Menschen in schwierigen Situationen unverbrüchlich zur Seite.

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