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Der „blaue Schwede" macht ihr Sorge – denn sein Schildchen, wie auch das der anderen Kartoffeln, ist vom Winde weg geweht worden. „Weißt du noch, wo du welche Kartoffel gepflanzt hast?“ Esther Schiesser dutzt den großen Mann mit Pferdeschwanz, Schirmmütze und Sonnenbrille, der bei den anfallenden Arbeiten routiniert zupackt, sonst aber nicht viele Worte verliert. Doch an seine Kartoffelsorten kann er sich zum Glück erinnern. Alle duzen sich hier, denn gärtnern und kreativ werkeln verbindet.

Die Luft ist heiß und stickig im Innenhof des Altenbetreuungszentrums (ABZ) Heiligkreuz im Würzburger Stadtteil Zellerau. Aber – an diesem Nachmittag steht wieder das „urban gardening“ im Terminkalender und da ist die Hitze gerade mal egal. Zumindest für Stephan; der 17-Jährige lebt im Würzburger Kinderdorf und kommt nach der Schule her, um schon einmal ein Gefühl für die Arbeit mit Blumenerde und Pflanzstecklingen zu bekommen. Denn Stephan startet im Herbst seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner.

Aber an diesem Nachmittag werden nicht nur Pflanzen eingetopft und gegossen – das Projekt der young-caritas, das 2016 ins Leben gerufen wurde, zielt darauf ab, aus einem recht trost- weil pflanzenlosen Hinterhof des ABZ eine kleine grüne Oase zu machen. Denn das ist das Credo des „urban gardening“ – auf engem Raum in der Stadt einen kleinen Garten erschaffen. Und das mit einfachsten Mitteln und möglichst kreativ. Und ein Garten ist bereits erkennbar: bunt bemalte Plastikeimer stehen mit Tomatenpflanzen bestückt in Reih und Glied, Pflanzkisten aus Paletten schaffen Struktur auf der Hoffläche, und aus einer Holz-Palette wurde ein Wandregal mit Kräutern gebaut. Die danebenstehende Bohnenpflanze soll an diesem Tag ein Weiden- Rankgitter bekommen. Bisher liegen nur die Weidenruten am Boden. Außerdem sollen kleine Gummistiefel mit Hauswurz bepflanzt werden. Stephan und der wortkarge Helfer mit Sonnenbrille fangen an, die Weiden mit einem Messer abzuschälen. Koordinatorin EstherSchiesser freut sich, dass auch an diesem Nachmittag immerhin eine Handvoll Helfer gekommen sind. Auf dem Tisch stehen schon die Kindergummistiefel in verschiedenen Ausführungen aus dem Caritas-Laden. In der orangefarbenen Plastikkiste warten die unterschiedlich farbigen Exemplare des Hauswurzes darauf, eingepflanzt zu werden. Gar nicht so einfach, denn zunächst müssen Löcher in den Stiefel geschnitten und der dann mit Erde befüllt werden, danach kommt die Pflanze in den Schuh. Das Projekt des „urban gardening“ ist offen für jeden. Ganz im Sinne der young-caritas-Kampagne „GemeinsamZeit 2017“ kommen unterschiedliche Helfer zusammen – darunter Kinder aus dem Kindergarten Heiligkreuz im Stadtteil Zellerau, sowie Bewohner einer Einrichtung des Erthal Sozialwerkes. Und an diesem Nachmittag eben auch Stephan. Die Stirn in Falten, konzentriert er sich ganz darauf, die Weidenrute korrekt zu schälen. Die ersten Handgriffe wirken noch unsicher, dann aber fallen immer mehr Rindenstreifen zu Boden. „Die kommen nicht in den Müll, mit denen umwickeln wir dann gleich das Geflecht“, erklärt der Helfer neben Stephan. Er ist Bewohner des Erthal-Sozialwerks und möchte seinen Namen nicht nennen. Der Mann ist zusammen mit zwei weiteren Mitbewohnern und einem Betreuer an diesem Nachmittag hergekommen. Letzterer kniet gerade vor einem Sack mit Blumenerde und streut diese behutsam in den schmalen Kindergummistiefel. „Uns ist es wichtig, dass sich hier Menschen begegnen, die sich sonst nicht so ohne  Weiteres treffen und miteinander zu tun haben würden“, sagt Esther Schiesser. Die Pflanzen hat sie aus dem heimischen Garten ihrer Eltern mitgebracht, einige wurden von den Stadtgärtnern gesponsert.

BUNTES SAMMELSURIUM

Bereits bei den letzten Treffen wurde im Innenhof Kräuter wie Orangenthymian, Petersilie und Ringelblumen eingepflanzt; um Pflanzgefäße zu bekommen, wurden kurzerhand leere Eimer aus der Großküche sowie Joghurtbecher bemalt. Neben den Tomaten wachsen nun gut gedeihende Feuerbohnen. „Und unsere Kartoffelbeete – das sind ausgediente Bäckerkisten“, erklärt Esther Schiesser lächelnd. Selbst bezeichnet sich die junge Frau auch mehr als Gärtner-Neuling, denn als Fachfrau – „was man halt so von daheim mitbekommt und sich abschaut bei den Eltern im Garten“, das wisse sie eben. Und die Kenntnisse haben sie gut gerüstet in das Projekt startenlassen, zusammen mit ihrer Kollegin Katharina Samfaß. Den beiden jungen Frauen zur Seite steht Stadtgärtnerin Cornelia Uhlig; sie hatte anfangs wertvolle Tipps zu den Arbeiten im „urban gardening“. An diesem Nachmittag hilft auch Birgit Bald, Mitarbeiterin des ABZ Heiligkreuz, mit. Die Kräuter in den Kisten können geerntet werden, das übernimmt die zertifizierte Kräuterführerin gerne. Hier und da am Grünzeug zupfend, verrät sie leckere Rezepte: „Lilienblätter kann man mit Frischkäse füllen, das schmeckt toll! Und aus den Königskerzen kann man einen Likör herstellen. Und wenn sie Giersch im Gartenhaben – alle schimpfen immer auf das ,Unkraut‘ – aber der gibt eine tolle Limonade her.“ So bekommen die Helfer beim „urban gardening“ ganz nebenbei ein bisschen Kräuterkunde und Zubereitungsideen mit an die Hand. Esther Schiesser hat inzwischen die Schilder für die Kartoffeln wieder gefunden. Nun freuen sich alle aufs Kartoffelfeuer im Herbst. Natürlich bestückt mit der eigenen Ernte.

Judith Bornemann
veröffentlicht in: Würzburger Katholisches Sonntagsblatt (Ausgabe 33-34/2017) 

Mitmachen beim urban gardening

young-caritas ist der Jugendbereich des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Würzburg.

Über soziale, ökologische und politische Projekte werden junge Menschen darin bestärkt, sich in ihrem Umfeld aktiv für eine solidarische Gesellschaft einzusetzen. Interessenten wenden sich an
Esther Schießer 
Telefon 09 31/38659-127
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