logo caritas

„Alles war auf der Flucht, alles war nur vorübergehend, aber wir wussten noch nicht, ob dieser Zustand bis morgen dauern würde oder noch ein paar Jahre oder gar unser ganzes Leben.“ Der Ausspruch könnte aus dem Jahr 2016 stammen – von einem der vielen Geflüchteten, die in einer Zeit der Unsicherheit leben, nicht wissend, ob sie hier bleiben dürfen oder nicht...

Tatsächlich aber handelt es sich um ein Zitat aus Anna Seghers Roman „Transit“ (1944). Die Ähnlichkeit von Fluchterfahrungen heute und während der Zeit des Nationalsozialismus war eines der Themen des P-Seminars „Refugees Welcome“ am Deutschhaus-Gymnasium, bei dem die youngcaritas-Koordinatorin Esther Schießer im Oktober eine Seminarstunde unter dem Titel „Fluchtgeschichten“ gestaltete.

Individuelle Geschichten gegen Verallgemeinerungen

Ziel war es, durch die intensive Beschäftigung mit einzelnen Fluchtgeschichten ein Verständnis dafür zu gewinnen, was Menschen zur Flucht nach Europa treibt, welche Hoffnungen sie haben und auf welche Hindernisse sie beim Ankommen in Deutschland stoßen. Denkanstöße dazu gab das Buch „Die Hoffnung im Gepäck. Begegnungen mit Geflüchteten“ (2015). In Gruppenarbeit gestalteten die 16 bis 17-jährigen SchülerInnen ein Plakat zu den Geschichten von Flucht und Neuanfang. Die Jugendlichen setzten sich mit den Fluchterfahrungen einzelner Menschen auseinander, um den Verallgemeinerungen in Bezug auf Geflüchtete etwas entgegensetzen zu können. „Wenn immer von den Flüchtlingen gesprochen wird, vergessen wir oft, dass dahinter einzelne Menschen stehen, die um ein absolutes Grundbedürfnis – einen sicheren Ort zum Leben – kämpfen müssen.“, erklärte Esther Schießer. Auch dies ein Problem, mit dem sich deutsche Flüchtlinge während des Nationalsozialismus konfrontiert sahen, wie im Seminar deutlich wurde. So schreibt Lion Feuchtwanger in seinem Roman „Exil“ (1939): „Auch gab es unter den hunderfünfzigtausend aus Deutschland Verjagten nicht nur Menschen jeder politischen Gesinnung, sondern auch jeder sozialen Stellung und jedes Charakters. Jetzt, ob sie wollten oder nicht, bekamen sie alle die gleiche Etikette aufgeklebt [...]. Sie waren in erster Linie Emigranten und erst in zweiter, was sie wirklich waren.“

Flucht kann jeden treffen

Flucht kann jede und jeden treffen, war eine der Erkenntnisse aus der Beschäftigung mit der Exilliteratur der 1940er Jahre, die Esther Schießer mit den SchülerInnen erarbeitete. Damals suchten deutsche Flüchtlinge in Marseille und Paris verzweifelt nach einer Möglichkeit Europa zu verlassen. Heute wiederum versuchen vielen Menschen nach Europa zu gelangen, um hier in Frieden leben zu können.

Weiße Hoffnungsbänder

Da es an sicheren und legalen Einreisemöglichkeiten mangelt, begeben sich viele Flüchtende in Lebensgefahr, wenn sie versuchen, auf untauglichen Booten das Mittelmeer zu überqueren. Die SchülerInnen setzten mit weißen Bändern ein Zeichen für eine menschlichere europäische Asyl- und Grenzpolitik. Auf die Bänder schrieben sie Hoffnungen, die mit einem Leben in Europa verbunden sind. Damit knüpften sie an die Aktion „Weiße Bänder in der Würzburger Innenstadt“ an, mit der 2015 eine Gruppe Würzburger Studierender auf die vielen Toten vor den Toren Europas aufmerksam machte und die europäische Abschottungspolitik anklagte.

­