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Gundo Vollrath ist nicht gerade unter einem Glücksstern geboren. „Sechsmal musste ich als Kind die Schule wechseln“, erzählt er. Das lag am Krieg. Der 81-Jährige hatte als kleiner Junge Bomben miterlebt und verbrannte Menschen gesehen. Heute geht es ihm abermals nicht gut. Er lebt von einer Minirente und bekommt Grundsicherung. Ein Lichtblick ist für ihn der Allgemeine Sozialdienst (ASD) der Würzburger Caritas. Seit fast 20 Jahren wendet er sich mit allen seinen Problemen hierhin.

„Meine Monatsmiete ist um 60 Euro höher, als sie sein darf“, schildert er „seiner“ Beraterin Brunhild Berl heute. Weil das Sozialamt ihm diesen Betrag nun von der Grundsicherung abzieht, bleibt ihm noch weniger zum Leben übrig. Dass außerdem just die Waschmaschine ihren Geist aufgab, bringt den Senior gehörig in die Bredouille. „Früher bekam man in diesen Fällen Geld vom Sozialamt“, sagt er. Nun ist eine Pauschale im Grundsicherungssatz enthalten.

Von nicht einmal vierhundert Euro soll man also selbst monatlich etwas für Sonderausgaben zurücklegen. Vollrath: „Das ist einfach nicht möglich!“ Dass Rentner unter solchen Nöten in Deutschland leben müssen, findet er schreiend ungerecht.

Der Tag der Sozialen Gerechtigkeit, der 2009 von der Weltorganisation UNO eingeführt wurde, weist jährlich am 20. Februar auf solche sozialen Ungerechtigkeiten hin. Laut der Caritas ist es gerade auch in Deutschland nötig, auf die wachsende soziale Spaltung in der Gesellschaft hinzuweisen. So kommt die Bundesrepublik einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge im OECD-Vergleich nur ins Mittelfeld, was die soziale Gerechtigkeit anbelangt.

Gundo Vollrath kann dem Sermon der Politiker schon lange nichts mehr abgewinnen. Dass sich seine Lage durch politische Entscheidungen noch einmal bessern wird, glaubt er nicht. Hilfe erfährt er nur bei der Caritas, betont er: „Seit 1996 komme ich hierher.“ Damals war der einst selbstständige Schriftsetzer erstmals in finanzieller Not: „Es ging um die GEZ-Gebühren.“ Seither häuften sich die Probleme. Heute bringt er einen dicken Ordner voller Arztrechnungen und Krankenkassenkorrespondenz zu Brunhild Berl. Zu schaffen macht ihm außerdem ein Streit mit einem Mobilfunkanbieter, der begann, als man ihm im Sommer letzten Jahres in Frankfurt das Handy klaute.

Es war ein trauriger Anlass, warum er damals nach Frankfurt gefahren war: „Mein Bruder wurde beerdigt.“ Zu allem Überfluss wurde ihm dann auch noch das Telefon gestohlen. Die Telekommunikationsgesellschaft verlangte im Nachhinein 34 Euro an Gebühren, die unmöglich aufgelaufen sein konnten: Vollrath besaß ein Prepaidhandy.

Angesichts seiner geringen Monatsrente sind 34 Euro viel Geld. Vollrath zahlte nicht, konnte er doch in keiner Weise nachvollziehen konnte, wie der Betrag zustande gekommen sein sollte. Das Ganze müsse ein Irrtum sein, schrieb er den Unternehmen in einem ausführlichen Brief. Doch das blieb stur. Die Sache schaukelte sich auf. „Inzwischen soll ich 222 Euro zahlen“, zeigt er Brunhild Berl.

Dem agilen Senior würde niemand ansehen, welche Vielfrontenkämpfe er auszufechten hat. Vollrath strahlt Optimismus aus, er lässt sich nicht unterkriegen. Er liest viel, recherchiert im Netz, hält sich tagespolitisch auf dem Laufenden und diskutiert gern.

Vollrath weiß, dass kein Server mehr vor der NSA sicher ist und kennt die Rentenerhöhungen der letzten Jahre auswendig: „Langeweile habe ich nie.“ Unter den über 800 ASD-Klienten, die jährlich von Brunhild Berl und ihrer Kollegin Jutta Hackel beraten werden, ist er eine Ausnahme. Viele Klienten sind völlig überfordert mit ihrer Situation, wissen nicht, wie sie Anträge stellen oder Widerspruch einlegen sollen. Insgesamt wächst die Not in Würzburg. So bekommen längst nicht mehr alle Anrufer einen persönlichen Beratungstermin. Auch Brunhild Berl würde sich wünschen, dass die Politik dies endlich wahrnimmt. Und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgt.

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